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News - Nachrichten für Studenten mit Kind

Benachteiligt von Amts wegen - Offiziell fördert die Politik Frauen in der Wissenschaft. Doch für Kindererziehung gibt es im Hochschulrahmengesetz keinen Bonus. Eine Familieninitiative will das ändern

17.03.2005, ZEIT, Anke Weidmann

Bevor sie über die "Komplexität von Software-Architekturen" nachdenken kann, muss Carola Lilienthal jeden Tag zunächst die Komplexität ihres Lebens bändigen. Die bestimmendste Einflussgröße hört auf den Namen Frederic, ist sechs Jahre alt und muss morgens um acht Uhr in den Kindergarten. Erst danach kann die Wissenschaftlerin mit ihrem roten Caravan ins Informatikum im Hamburger Vorort Stellingen düsen, um sich ihren Software-Problemen zuzuwenden. Wenn sie dort am Schreibtisch sitzt, läuft die Zeit. "Zwei Jahre bleiben mir noch für die Promotion", sagt die Alleinerziehende. Ist sie dann nicht fertig, kann sie die Forschung trotz exzellenter Leistung abschreiben. Mehr Zeit bewilligt ihr das Hochschulrahmengesetz (HRG) nicht. Die Tatsache, dass sie auch Mutter ist, wird dabei schlicht nicht berücksichtigt.

Frauen in der Wissenschaft sind in einer paradoxen Situation. Einerseits gilt ihnen neuerdings das ganze Wohlwollen der Politik. Mit speziellen Programmen will das – erstmals von einer Frau geführte – Bundesforschungsministerium (BMBF) die Frauen für eine wissenschaftliche Karriere stärken und dazu beitragen, den Anteil der Professorinnen zu erhöhen. In Networking-Kursen und Mentoring-Programmen etwa sollen Frauen lernen, sich gegenseitig zu unterstützen, Erfahrungen auszutauschen und ihre Kräfte zu bündeln. Doch zugleich hat dasselbe BMBF ein Hochschulrahmengesetz vorgelegt, dass junge Akademiker/-innen mit Kindern systematisch benachteiligt.

Denn in den Befristungsregelungen des HRG ist die Zeit der "wissenschaftlichen Weiterqualifikation" auf insgesamt zwölf Jahre begrenzt, maximal sechs davon entfallen auf die Promotion. Ob ein Mitarbeiter währenddessen eine volle Stelle hat oder Teilzeit arbeitet, spielt keine Rolle. Und ob er nebenher Kinder großzieht oder als Single lebt, wird ebenfalls nicht berücksichtigt. Zwar erlaubt das Gesetz eine Verlängerung der Zwölfjahresfrist durch Mutterschutz und Erziehungszeit. Allerdings – und dies ist der Knackpunkt – müssen die Jungakademiker dazu ihre Arbeitszeit, egal, ob voll oder halb, offiziell reduzieren. Und diese Regelung geht an der Praxis der meisten erziehenden Wissenschaftler vorbei.

Gestressten Forschereltern hilft in Hohenheim die "Kinderfeuerwehr"
So bekam etwa Andrea Paul, Biophysikerin und Mutter von Zwillingen, nach ihrer Promotion drei vielversprechende Stellenangebote auf den Tisch. Sie entschied sich bewusst für eine halbe Stelle am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, weil sie sich mehr um ihre Kinder kümmern wollte. Offiziell reduzierte sie ihre Arbeitszeit nicht – sie hatte ja nur eine halbe Stelle. Deshalb wird sie von Gesetz wegen behandelt wie andere Kollegen, die rund um die Uhr an ihrer Habilitation arbeiten. Mittlerweile sind die Zwillinge zwölf und selbstständig genug. "Jetzt kann ich wieder so arbeiten, wie man das müsste, um zu habilitieren", sagt Paul. Einen Teil der erforderlichen Publikationen hat sie zusammen – ihre Stelle läuft aber im Mai nächsten Jahres aus. Dann ist auch die Zwölfjahresfrist verstrichen.

Bei Carola Lilienthal hingegen liegt der Fall etwas anders. Als sie schwanger wurde, hatte sie bereits drei Jahre an der Uni Hamburg gearbeitet. Nach Frederics Geburt nahm sie wegen des Kindes einen besser bezahlten Teilzeitjob in der Wirtschaft an. Erst auf Drängen ihrer Professorin wagte sie vor einem Jahr den Schritt zurück in die Forschung. Da musste sie mit ihrer Doktorarbeit praktisch von vorn beginnen, ihre Vorarbeiten waren veraltet. Doch die Anstellungszeit an der Uni vor Frederics Geburt zählt in der Fristenregelung des HRG mit. Und weil sie nie offiziell Erziehungszeit nahm, kann sie nun – trotz Doppelbelastung – von den Ausnahmeregelungen des Hochschulgesetzes nicht profitieren.

Benachteiligt werden vom HRG vor allem forschende Eltern, die keine ganze Stelle haben – und das ist ein Großteil. Teilzeitstellen sind in der Wissenschaft eher die Regel. Dies liegt an der finanziellen Situation der Hochschulen, aber auch am Wissenschaftsbetrieb selbst, wo Drittmittelzusagen oft kurzfristig fallen, Projektmittel zeitlich begrenzt sind und Mitarbeiter sich oft von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Gearbeitet wird meist trotzdem rund um die Uhr: Schließlich gilt Wissenschaft als Leidenschaft, als Berufung. Und es geht ja um die eigene Zukunft.

Wer in dieser Situation Kinder bekommt, muss das Forschungspensum, das in der Regel außerhalb der offiziellen Arbeitszeit geleistet wird, zwangsläufig zurückschrauben – denn die wenigsten können es sich finanziell erlauben, die bezahlte Arbeitszeit durch Erziehungszeit anzuknapsen. So reduzieren die Eltern eben ihre freiwillig geleisteten Überstunden; die eigene Arbeit an der Promotion oder Habilitation verzögert sich, während die Zwölfjahresfrist unaufhaltsam verstreicht. Die Regelungen treffen nicht nur Frauen. Auch Oliver Sass, Geograf an der Uni Augsburg, fühlt sich benachteiligt. Sein Gehalt von einer halben Assistentenstelle reicht für die Familie mit zwei Kindern nicht aus. Also muss seine Frau dazuverdienen, und er übernimmt zeitweise die Betreuung der Kinder: "Natürlich leidet darunter die Zielstrebigkeit in Richtung Habilitation, und die HRG-Uhr tickt ungerührt."

Dabei haben Wissenschaftler mit Familie es ohnehin nicht leicht: Wissenschaft fordert zum Beispiel ein Höchstmaß an Flexibilität. Doch wie mit schulpflichtigen Kindern alle paar Jahre umziehen? Wie abends länger im Labor stehen, weil eine Versuchsreihe noch abgeschlossen werden muss – wenn der Kindergarten um 16 Uhr schließt?

Die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder wissenschaftlicher Mitarbeiter sind schlecht, an den wenigsten Hochschulen gibt es einen Betriebskindergarten. Lilienthals Sohn Frederic ist inzwischen kein Kleinkind mehr, und die Informatikerin hat Glück: Ihre Eltern, frisch pensioniert, springen fast täglich als Babysitter ein und holen den Enkel aus dem Kindergarten ab. "Ohne ihre Hilfe hätte ich es gar nicht wieder zu versuchen brauchen", sagt die Informatikerin.

Einen langen Erziehungsurlaub können sich Wissenschaftler nicht nur finanziell, sondern auch karrieretechnisch kaum leisten. Forschung ist ein schnelllebiges Geschäft. Wer pausiert, kann den Anschluss verpassen – wie Lilienthal erfahren musste. Wegen der Geburt eines Kindes auf Jahre auszusteigen ist – zumindest in Technik und Naturwissenschaften – faktisch nicht möglich. Grundsätzliche Vorbehalte gegenüber forschenden Müttern tun ein Übriges. Frauen (nicht aber Männer!) mit Kindern gelten als unzuverlässig und wenig belastbar – zu Unrecht. Inken Lind, Mitarbeiterin am deutschen "Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung", hat die Ergebnisse unterschiedlicher Studien zusammengefasst und kommt zu dem Fazit, dass Frauen mit Kindern – etwa hinsichtlich der Anzahl ihrer Publikationen – durchaus mit kinderlosen Forscherinnen vergleichbar sind. Bei einer Stellenbesetzung ziehen sie oft trotzdem den Kürzeren.

Da ist es nur zu verständlich, dass Frauen sich irgendwann entscheiden: gegen Kinder oder gegen die Karriere. Studien belegen, dass 40 Prozent der Akademikerinnen kinderlos bleiben. Und diejenigen mit Kindern steigen häufiger aus der Wissenschaft aus als ihre kinderlosen Kolleginnen.

Allmählich haben auch die Hochschulen gemerkt, dass sie dagegen etwas tun müssen. Eine "Kinderfeuerwehr" finanziert etwa die Universität Hohenheim, die im letzten Jahr von der Hertie-Stiftung als familienfreundliche Hochschule ausgezeichnet wurde: Falls Hochschulangehörige unvorhergesehen länger im Labor bleiben oder an einer Konferenz teilnehmen müssen, können sie ihre Kinder in die Obhut einer kurzfristig verfügbaren Betreuerin geben. Am Forschungszentrum Karlsruhe wurde im September eine Kindertagesstätte mit Öffnungszeiten zwischen 7 und 18 Uhr eingeweiht, die den Eltern eine "flexible Arbeitszeit" erlauben soll. Und die engagierte Tübinger Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie, hat kürzlich eine gemeinnützige Stiftung gegründet, die begabte junge Wissenschaftlerinnen finanziell unterstützt: nicht in Sachen Forschungsvorhaben, sondern mit Geld für Kinderbetreuung und Haushaltshilfe.

Auch Schwangerschafts- und Stillzeiten sollen anerkannt werden
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Sommer mit seiner Entscheidung zur Juniorprofessur die gesamte Novellierung des HRG für nichtig erklärt hatte, atmeten viele von der Zwölfjahresregel Betroffene kurzfristig auf. Doch die Bestimmungen zur Beschäftigungsbefristung sind seit Anfang des Jahres wieder in Kraft. Und so erschwert das BMBF durch die HR-Gesetzgebung weiterhin, was ohnehin schwer zu vereinbaren ist: Familie und Wissenschaft.

Was wäre die Lösung? Eine pauschale Verlängerung der Zwölfjahresfrist, um mindestens zwei Jahre pro Kind zum Beispiel, fordert die Initiative Familienfreundliches HRG. Susanne Schmid, Neurobiologin und Mutter von zwei Kindern, hat sie zusammen mit einer Kollegin und der Frauenbeauftragten der Universität Tübingen gegründet. Die Initiative sammelt Unterschriften im Internet (www.familienfreundliches-hrg.uni-tuebingen.de/) und fordert, Schwangerschafts-, Still- und Erziehungszeiten besser anzuerkennen, und zwar unabhängig von einer offiziellen Reduktion der Arbeitszeit. Der Gesetzgeber sollte die Doppelbelastung von wissenschaftlicher Arbeit und Aufziehen der Kinder endlich honorieren, sagt Schmid.

Eine Forderung, die das BMBF zurückweist. Die getroffenen Regelungen würden der besonderen Situation von Wissenschaftlern mit Kindern angemessen Rechnung tragen, heißt es dort stereotyp. Zudem ließe das HRG auch nach Ablauf der zwölf Jahre die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung zu, wenn diese sachlich begründet werden kann. An den Universitäten allerdings macht bisher kaum ein Arbeitgeber von dieser Regelung Gebrauch, aus Angst, Mitarbeiter könnten ihre Stelle in einem solchen Fall dauerhaft einklagen.

Für Susanne Schmid von der Tübinger Initiative ist das sture Festhalten des BMBF an den Regelungen des HRG und sein gleichzeitiges frauenförderndes Engagement paradox: "Ich bringe diese beiden Seiten gedanklich einfach nicht zusammen." Aber Rationalität ist ja bekanntlich nicht die Stärke der Politik.

Übersicht der Nachrichten
Bündnis für Kinder. Gegen Gewalt.




newsticker_2005-03-17.php, Stand 18.05.2018
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